Die reisevertragliche Gewähr

Die Minderung

Bleibt die Leistung hinter dem zurück, was verabredet wurde, ist das tatsächliche "Ist" weniger als das geschuldete "Soll", ist diese Differenz zurückzuerstatten. Der gesetzestechnische Begriff hierfür ist die Minderung. Da es gerade dem Wesen einer Pauschalreise entspricht, dass ein Strauß an touristischen Leistungen zu einem Gesamtpreis abgegeben wird, ist Bezugsgröße der ermittelten Minderungsquote auch immer der Gesamtreisepreis. Trifft der Reisende in seinem Griechenland-Urlaub, für den er einen Reisepreis von EUR 1990,00 entrichtet hat, auf eine nicht angekündigte, lärmende Baustelle auf dem Hotelgelände, wird daher nicht der die Unterkunft betreffende Anteil am Reisepreis herausgerechnet und gemindert. Dem Minderungssatz wird richtigerweise der Gesamtreisepreis zugrundegelegt. In unserem Beispiel also (aufgrund von Lärm und Dreck) 20 bis 30 % aus EUR 1990,00.

Andererseits ist selbstverständlich lediglich der mangelbehaftete Reisezeitraum minderungsrelevant. Bei einem vierzehntägigen Aufenthalt, während dem die Baustelle nicht die ganze Zeit über, sondern an den letzten 10 Tagen ordentlich Lärm und Staub produzierte, wäre folgende Rechnung anzustellen: EUR 1990.- dividiert durch 14 und multipliziert mit 10. Auf den so ermittelten, zeitanteiligen Reisepreis wäre dann wiederum die Minderungsquote von 20 bis 30 % in Ansatz zu bringen.

Bestimmung der Minderungshöhe

Die Bestimmung angemessener Minderungsquoten braucht Erfahrung. Es lässt sich auch kaum präzise vorhersagen, welche konkrete Minderungsquote durch das Gericht zuerkannt werden wird. Gerichte treffen Einzelfallentscheidungen, wobei sämtliche Umstände des zu untersuchenden Falles berücksichtigt und gewürdigt werden. Der Ausfall eines von drei Schwimmbecken ist verständlicherweise anders zu bewerten als der Ausfall des einzigen Hotelschwimmbeckens. Auch der Umstand, ob es sich um ein Stadthotel oder um ein Strandhotel mit guten Schwimmmöglichkeiten im nahe gelegenen Meer handelt, ist entscheidungsrelevant. Ebenso, ob dem Reisenden beispielsweise der kostenlose Zugang zu einem Schwimmbecken in der Nachbarhotelanlage eingeräumt wurde. Auch kann man sich fragen, inwieweit die Außentemperaturen ein Baden überhaupt zugelassen haben usw. - Sie sehen also schon an diesem kleinen Beispiel, dass viele einzelne Punkte eine Rolle für die Gesamtbeurteilung spielen können.

Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung

Im Jahre 1985 wurde von der als Berufungskammer ausschließlich für Reisevertragssachen zuständigen 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt über die Veröffentlichung eines tabellarischen Werks versucht, für mehr Sicherheit und vielleicht sogar mehr Einheitlichkeit bei der Bestimmung von Minderungssätzen zu sorgen. In dieser sog. "Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung" findet sich eine Auflistung typischer Reisemängel, denen jeweils eine Minderungsspanne bzw. ein fester Minderungssatz zugeordnet ist. Letztmalige Änderung erfuhr die Tabelle im Jahre 1994. Der hohe Bekanntheitsgrad kann nicht bestritten werden. Auch mag sie sich für eine Grobeinschätzung diverser Minderungssätze eignen. Dennoch ist ihre Bedeutung für die forensische Arbeit gering. Die ganz überwiegende Anzahl der Gerichte lehnt ihre Anwendung ab.

Andere tabellarische Hilfsmittel

Brauchbarer sind - aus meiner Sicht - beispielsweise die "ADAC-Tabelle zur Preisminderung bei Reisemängeln" oder auch die von der Kemptener Fachhochschule entwickelte "Kemptener Reisemängeltabelle". Nicht nur, dass diese beiden Darstellungen aktualisiert sind, finden sich darin auch diejenigen Rechtsprechungsnachweise, denen die jeweilige Minderungsquote entnommen wurde. Die Bewertung und auch der der Bewertung zugrundeliegende Sachverhalt kann durch Lektüre nachvollzogen und gegebenenfalls argumentativ verwendet werden.

Minderung und höhere Gewalt

Auch höre ich in der Praxis immer wieder: "Ja wenn der Flugbetrieb aufgrund des starken Schneefalls eingestellt werden musste und die Reise deshalb mit einer Verspätung von knapp einem Tag angetreten werden konnte, dann ist das höhere Gewalt. Da gibt es nichts für!" - Richtig ist wohl, dass der Grund für die verspätet durchgeführte Reise nicht aus dem Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters stammt und hier von höherer Gewalt zu sprechen sein dürfte. Falsch hingegen ist der Schluss hieraus. Wie wir oben gesehen haben, ist zur Bestimmung von Minderungsansprüchen lediglich ein Wertabgleich zwischen geschuldeten und tatsächlich erbrachten Leistungen durchzuführen. Auf ein Verschulden des Reiseveranstalters kommt es nicht an. Somit lässt sich in unserem Beispiel unschwer feststellen, dass die Gesamtreisedauer verkürzt wurde und in der Konsequenz ein anteiliger Tagesreisepreis erstattet werden muss. Anders verhält es sich mit Schadenersatz, der tatsächlich ein Verschulden des Reiseveranstalters voraussetzt. Da dieser jedoch in obigem Beispiel durch höhere Gewalt entschuldigt ist, könnten beispielsweise Kosten für zusätzliche An- und Abfahrt oder auch Kosten für die Übernachtung in einem Flughafenhotel etc. nicht aus reisevertraglicher Bindung ersetzt verlangt werden.

Der Aufwendungsersatz

Zu den Gewährleistungsansprüchen ist in rechtsdogmatischer Hinsicht auch der Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 651 c Abs. 3 Satz 1 BGB zu zählen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Selbstabhilfe(s. dort) kann der Reisende erforderlich gewordene Aufwendungen ersetzt verlangen. Auch hierbei spielt es keine Rolle, ob der Mangel durch den Reiseveranstalter verursacht wurde oder nicht.

Die Aufwendungen müssen zur umgehenden Mangelbeseitigung bzw. zur Herstellung vertragsgemäßer Zustände erforderlich sein. Erstattungsfähig sind daher ausschließlich angemessene Kosten. Bei einem Wechsel in ein Alternativhotel ist deshalb unbedingt darauf zu achten, dass dieses hinsichtlich seines Standards dem gebuchten entspricht. Selbstredend müssen die jeweils entstandenen Kosten per Beleg nachgewiesen werden.