Irrglaube, Irrtum und Widerruf eines Distanzgeschäfts

Ist der Vertrag erst unter Dach und Fach, reut das den einen oder anderen schon wieder. Der Urlauber in spe stellt fest, dass der Veranstalter der gebuchten Reise doch nicht so seriös ist, wie er sich gibt. Möglicherweise passt auch der Reisezeitraum nicht, da der erst nachträglich befragte Arbeitgeber seinen Mitarbeiter zur vereinbarten Reisezeit lieber an seinem Arbeitsplatz sieht als an einem Sandstrand in Ägypten. Oder vielleicht hat der Reisende auch versehentlich die Reise anstelle im Juni im Mai gebucht.

Der Grundsatz: Vertrag ist Vertrag

Ein wesentliches Merkmal des Vertrages ist seine Verlässlichkeit. Sowie der Reisende darauf vertrauen darf, dass sein Vertragspartner die verabredeten Leistungen erbringt, muss der Veranstalter darauf vertrauen dürfen, dass der Reisende sich an seiner Verpflichtung zur Zahlung des Reisepreises festhalten lässt. An dieser Stelle ist zunächst mit einem Irrglauben aufzuräumen, demzufolge der Verbraucher sich innerhalb 24 Stunden nach Vertragsschluss ohne Grund und ohne hierdurch Schaden zu nehmen, vom Vertrag lösen kann. Da die vorerwähnte Verlässlichkeit vertraglicher Bindung beide Vertragsparteien gleichermaßen schützt, kennt das geltende Recht keine derartige Vorschrift. Vertrag ist Vertrag.

Kein Widerrufsrecht nach Fernabsatzvorschriften

Dieser Verlässlichkeit entgegenstehende Ausnahmen sind rar. So finden auf sog. Distanzgeschäfte, also auf die Verträge, die per Telefon, Internet, Email oder auch Brief geschlossen wurden, die in das Bürgerliche Gesetzbuch in die §§ 312 b ff. aufgenommenen Fernabsatzvorschriften Anwendung. Beteiligt sein müssen, einerseits ein Verbraucher entsprechend § 13 BGB und andererseits ein Unternehmer gemäß § 14 BGB. Der Verbraucher kann sich in der Regel durch bloßen Widerruf innerhalb einer vierzehntägigen Frist vom Vertrag lösen, ohne für sich Konsequenzen fürchten zu müssen. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Vom Schutzumfang dieser Vorschriften sind bestimmte Bereiche ausgeschlossen. Eine Ausnahme bestimmt § 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB für "Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Unterbringung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleitung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen". Kurz gesagt: Hierunter fallen Reiseverträge, so dass ein Widerruf nach den den Fernabsatz regelnden Vorschriften ausscheidet.

Beachte aber: Im Hinblick auf die gebuchte Reise können - auf Abstand - abgeschlossene Versicherungen durchaus durch bloßen Widerruf gegenüber dem Versicherer rückgängig gemacht werden.

Die Anfechtung der Vertragserklärung

Was, wenn ein Irrtum über die Reiseleistungen vorliegt? Das gebuchte Sydney liegt nicht in Australien, sondern in Kanada. Oder wenn der falsche Reisezeitraum angeklickt wurde? Sommerbadeurlaub auf den Balearen im Monat 12 statt 8. Ist sich der Reisende über den Inhalt seiner Willenserklärung nicht im Klaren(wo liegt Sydney?) oder wollte er eigentlich eine andere Erklärung abgeben(vertippt, verklickt oder verschrieben), so kann er seine Willenserklärung nach §§ 119 ff. BGB anfechten. Ausnahme hiervon: der bloße Motivirrtum, also der Irrtum bei der Willensbildung schon und nicht erst bei der Betätigung des Willens. So kann die Buchung einer Hochzeitsreise nicht mit der Begründung angefochten werden, dass diese(die Hochzeit) schlussendlich nicht zustande gekommen ist. Ein solcher Irrtum wäre unbeachtlich. Da die Abgrenzung zuweilen schwierig ist und meist weitere Rechtsfragen unmittelbar angeschlossen sind, sollte gegebenenfalls rechtskundiger Rat hinzugezogen werden. Jedenfalls bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes nach §§ 119, 120 BGB und unverzüglicher Anfechtung durch den Irrenden(nicht den Irren!) entsprechend § 121 BGB, wird der Vertrag nach der Vorschrift aus § 142 Abs. 1 BGB so behandelt, als ob er nie geschlossen worden wäre. Reiseunterlagen und geleistete Anzahlungen sind zurückzugeben.

Aber auch der Reiseveranstalter ist nicht unfehlbar. Irrt dieser, kann er ebenfalls anfechten.

Last but not least ist zum Komplex Irrtum darauf hinzuweisen, dass der Vertragspartner, der den Auswirkungen einer Anfechtung tatenlos zusehen muss, nicht gänzlich schutzlos ist. Das Gesetz räumt ihm nach § 122 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf den sog. Vertrauensschaden ein. Also Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass er in gutem Glauben auf die Wirksamkeit des geschlossenen aber rückwirkend nichtigen Rechtsgeschäfts vertraut hat. Hat der Reisende diverse Leistungen um die Reise gebaut, wie beispielsweise einen Mietwagen oder einen Skikurs gebucht, so stellen die jeweils anfallenden Stornierungskosten einen beim Reiseveranstalter absetzbaren Schaden dar.

Die Kosten der Buchung einer Ersatzreise können hingegen nicht verlangt werden, da wie dargestellt nur das Vertrauen und nicht das sog. Erfüllungsinteresse geschützt werden soll. Patzt hingegen der Reisende und ficht an, so hat er regelmäßig die Kosten der Stornorechnungen zu übernehmen, die der Reiseveranstalter wiederum von seinen Leistungsträgern wie der Fluggesellschaft, dem Hotel oder der Agentur etc. erhält. Der Gewinn des Reiseveranstalters hingegen stellt, da Erfüllungsinteresse, keinen regressierbaren Schaden dar.

Taktisches Vorgehen

Dem Reisenden ist im Irrtumsfalle daher zu empfehlen, mit dem Reiseveranstalter zu klären, ob die Benennung eines Ersatzreisenden bzw. die Weitervermittlung der Reise nicht die wirtschaftlich sinnvollere Variante zur Anfechtung ist.